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  • AutorenbildDr. med. Inken Kunze

BGH: Beweislastfolge bei Befunderhebungsfehler und Informationspflichtverletzung

Die in § 630h Abs. 5 BGB kodifizierten Voraussetzungen zur Beweislastumkehr nach einem einfachen Befunderhebungsfehler gelten unverändert fort und setzen einen Befunderhebungs- oder Befundsicherungsfehler voraus; sie kommen jedoch nicht zur Anwendung, wenn der Behandlungsfehler in einem Verstoß gegen die Pflicht zur therapeutischen Information liegt, auch wenn die Verletzung der Informationspflicht (§ 630c Abs. 2 S. 1 BGB) unmittelbar zur Folge hat, dass die Erhebung medizinisch gebotener Befunde unterbleibt. Der BGH hob mit Urteil vom 04.06.2024  (Az. VI ZR 108/23) die  vorangegangene Entscheidung des OLG Oldenburg auf und verwies die Sache an das Berufungsgericht zurück, gleichwohl er das Berufungsurteil im Ergebnis bestätigte.

Zur Abgrenzung eines Befunderhebungsfehlers von einem Fehler der therapeutischen Information komme es auf den Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit ärztlichen Fehlverhaltens an. Unterlässt es der Arzt, den Patienten über die Dringlichkeit einer ihm ansonsten zutreffend angeratenen medizinisch gebotenen Maßnahmen zu informieren und ihn vor Gefahren zu warnen, die im Falle des Unterbleibens entstehen können, liege nur ein Verstoß gegen die Pflicht zur therapeutischen Information, jedoch kein Befunderhebungsfehler vor. Für einen Befunderhebungsfehler sei es andererseits jedoch irrelevant, ob der Arzt die unterbliebenen Untersuchungen selbst durchzuführen oder ob er diese anderweitig zu veranlassen bzw. dem Patienten lediglich anzuraten hatte.

Im vorliegenden Rechtsstreit hatten die Ärzte der Beklagten bei dem frühgeborenen Kläger bei Entlassung aus der stationären Behandlung fehlerhaft eine Kontrolluntersuchung der Augen für den Zeitpunkt des errechneten Geburtstermins – 7 Werktage nach der Entlassung – nicht veranlasst und auch durch falsche Angaben vereitelt. Bei arbeitsteiligem Zusammenwirken wie zwischen Krankenhausärzten und niedergelassenen Ärzten bei notwendiger ambulanter Anschlussbehandlung müsse durch Koordination der konkreten Handlungsabläufe der fachärztlichen Standard der Gesamtbehandlung ohne Lücken an Information, Abstimmung und Behandlungszuständigkeit unter den Behandlungsbeteiligten sichergestellt werden, um vermeidbare Risiken für den Patienten auszuschließen. Der Krankenhausträger sei nach § 115a SGB V berechtigt und nach § 39 Abs. 1a SGB V verpflichtet, für eine sachgerechte Anschlussversorgung nach der Krankenhausbehandlung zu sorgen. Es sei daher die Aufgabe des Krankenhauses, in einem Entlassplan die medizinisch unmittelbar erforderlichen Anschlussleistungen festzulegen und in Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärzten und dem Pflegepersonal die gebotene Anschlussversorgung fachlich zu strukturieren und zu konkretisieren sowie die vorgesehenen konkreten Abläufe mit den daran Beteiligten zu koordinieren. Unter diesen Umständen hätte die Beklagte die für die Erhaltung der Sehkraft des Klägers elementare augenärztliche Abschlussuntersuchung veranlassen müssen oder zumindest in Absprache mit den Eltern frühzeitig Kontakt mit einem weiterbehandelnden Augenarzt aufnehmen und für einen rechtzeitigen Termin für die Untersuchung des Klägers, beispielsweise auch durch Vereinbarung eines Untersuchungstermins, sorgen müssen. Unabhängig von diesem Versäumnis habe die Beklagte auch durch falsche Angaben die Durchführung der medizinisch gebotenen augenärztlichen Abschlussuntersuchung vereitelt, indem im Entlassungsbericht mitgeteilt wurde, dass eine augenärztliche Kontrolle erst in 3 Monaten zu erfolgen habe.

 

 

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