BGH: Genugtuung bei Schmerzensgeldbemessung
In seinem Urteil vom 08.02.2022 (Az.VI ZR 409/19) führt der BGH aus, dass der Gesichtspunkt der Genugtuung in der Arzthaftung im Rahmen der Schmerzensgeldbemessung grundsätzlich zu berücksichtigen ist. Das Berufungsgericht (OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.09.2019 – I-8 U 2/16) hatte in seinem Urteil die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes nicht berücksichtigt. Im zugrunde liegenden Sachverhalt war der Ehemann der Klägerin nach einem stattgehabten Herzinfarkt mit Reanimation im weiteren Verlauf der Behandlung infolge einer Aspiration verstorben. Der Behandlungsfehler bestand laut dem Berufungsgericht darin, dass ein ausgezeichnetes EKG nicht innerhalb von 10 Minuten bzw. nicht spätestens nach 10 Minuten nach Vorliegen der Laborergebnisse 4 Minuten später, ausgewertet wurde. 57 Minuten nach Anfertigung des EKG kam es dann zu einer radialen Dekompensation mit Herzstillstand und anschließender Reanimation. Das Berufungsgericht hat hier ein Schmerzensgeld i.H.v. 2.000 € als angemessen und ausreichend angesehen. Hierbei berücksichtigte das Gericht die Vorerkrankungen des Verstorbenen sowie die Umstände des Notfalls. Das Verschulden der Ärzte stehe laut dem Berufungsgericht bei der Schmerzensgeldbemessung nicht im Vordergrund, sodass auch ein grober Behandlungsfehler nicht automatisch zu einer Schmerzensgelderhöhung führe. Dies bedeutet im Ergebnis, dass die Genugtuungsfunktion grundsätzlich in Bezug auf den Grad des Behandlungsfehlers nicht zu berücksichtigen sei. Der BGH wiederum vertritt die Auffassung, dass der Gesichtspunkt der Genugtuungsfunktion grundsätzlich immer zu berücksichtigen sei. Unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit stellt es einen wesentlichen Unterschied dar, ob ein einfacher oder ein grober – gegebenenfalls bis an die Grenzen des Vorsatzes reichender – Behandlungsfehler vorliegt. Entscheidend sei entsprechend, welcher Verschuldensgrad des Behandlers gegeben ist, ob hier eine einfache oder eine grobe Fahrlässigkeit vorliegt. In diesem Zusammenhang weist der BGH jedoch auch darauf hin, dass ein grober Behandlungsfehler nicht automatisch mit einer groben Fahrlässigkeit gleichzusetzen ist. Ein grober Behandlungsfehler stellt auch keine Indizwirkung für eine grobe Fahrlässigkeit dar. Im Ergebnis bedeutet dies, dass neben der Überprüfung, ob ein grober Behandlungsfehler vorliegt oder nicht, welcher sich auf die Beweislast auswirkt, das Gericht auch stets den Grad des Verschuldens überprüfen muss, um eine ordnungsgemäße Schmerzensgeldbemessung vornehmen zu können.
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