Missbrauch der Kooperationsform: Regressierung auch bei Nichtüberschreitung des Aufgreifkriteriums m
Das Sozialgericht Berlin vertritt in seinem Urteil vom 25.09.2019 (Az. S 83 KA 23/18) die Ansicht, dass auch bei Unterschreitung des Auffangkriteriums nach § 11 Abs. 2 der Abrechnungsprüfungsrichtlinie (APL) – bei fachgleichen Praxisgemeinschaften 20% Patientenidentität, fachungleiche 30% – die Beanstandung des Missbrauchs der Kooperationsform grundsätzlich möglich sei. Vorliegend klagte eine Anästhesistin gegen den Rückforderungsbescheid in Form des Widerspruchsbescheides der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KV), der sie verpflichtete, Honorare für verschiedene Quartale zurückzuzahlen. In diesen Quartalen bestand eine Praxisgemeinschaft mit einer anderen Fachärztin für Anästhesiologie. Für drei der 15 monierten Quartale stellte die beklagte KV fest, dass eine Patientenidentität in der Praxisgemeinschaft von über 20% der Patienten bestanden habe. Das Sozialgericht wies in seinem Urteil darauf hin, dass entgegen der Ansicht anderer Gerichte das Verhältnis der Patientenidentität allein auf der Grundlage der abgerechneten Fallzahlen in der Praxis der Klägerin zu ermitteln sei. Weder sei die durchschnittliche Patientenzahl aller Ärzte der Praxisgemeinschaft zu ermitteln, noch könne bei der Patientenzahl nur auf die kleinere Praxis in der Gemeinschaft abgestellt werden (so aber Bayrisches Landessozialgericht, Urteil vom 28.03.2007, Az. L 12 KA 216/04). Insofern habe die Beklagte für diese Quartale, bei denen das Aufgreifkriterium erfüllt worden ist, den Honorarbescheid rechtmäßig gekürzt, indem sie die Fälle der gemeinsam behandelten Patienten stichprobenartig prüfte. Letztlich hat die Beklagte in diesen Quartalen pauschal das Honorar für die Hälfte der Fälle mit gemeinsamen Patienten, vermindert um einen Sicherheitsabschlag von 15 %, in Abzug gebracht. Den konkreten Regress ermittelte die Beklagte sodann auf Grundlage des quartalsbezogenen arztindividuellen Fallwerts. Dies hielt das Sozialgericht für rechtmäßig. Es war der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung aber ebenso möglich, Honorar für die Quartale zurückzufordern, in denen die Quote von 20 % gemeinsamer Fälle nach § 11 Abs. 2 ARL nicht erreicht wurde. Das Gericht stellte klar, dass es sich bei der Quote um ein Aufgreifkriterium und nicht um ein Ausschlusskriterium handelte. Die Beklagte konnte vorliegend nämlich außerhalb der regulären Prüfung der Abrechnung anlassbezogen prüfen, da ausreichende und konkrete Abrechnungsauffälligkeiten in Form der drei auffälligen Quartale bestanden. Zwar konnte die Beklagte in diesem Fall ihre Prüfung nicht wie bei Auffälligkeiten nach § 11 Abs. 2 ihre Prüfung auf Stichproben beschränken. Soweit die Beklagte aber jeden einzelnen Fall, der von der Klägerin als auch von ihrer Partnerin in der Praxisgemeinschaft abgerechnet wurde, prüfte und damit in jedem Einzelfall beweisen konnte, dass ein Missbrauch der Kooperationsform vorlag, durfte die Beklagte auch diese konkret ermittelten Honorare zurückfordern.
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