BGH: Sekundäre Darlegungslast des Krankenhausträgers bei behaupteten Hygieneverstößen
Der BGH hat in seinem Beschluss vom 16.08.2016 (Az. VI ZR 634/15) eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zu Lasten des Klägers angenommen, da das Oberlandesgericht im Berufungsverfahren nicht der Frage nachgegangen war, inwieweit der beklagte Krankenhausträger Maßnahmen ergriffen hatte um sicherzustellen, dass die vom Sachverständigen als Voraussetzung für ein behandlungsfehlerfreies Vorgehen aufgeführten Hygienebestimmungen eingehalten wurden. Grundsätzlich müsse zwar der Anspruchsteller alle Tatsachen behaupten, aus denen sich sein Anspruch herleitet. Dieser Grundsatz bedürfe allerdings einer Einschränkung, wenn die primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des von ihr vorgetragenen Geschehensablaufes steht und ihr eine nähere Substantiierung nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen kennt und unschwer in Erfahrung bringen kann und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. In dem dem vorliegenden Streitfall zugrundeliegenden Behandlungsfall war nach einer Operation am Ellenbogen 6 Wochen später ein Infekt aufgetreten. Der Kläger hatte dazu behauptet, dass er im Anschluss an die Operation in einem Zimmer neben einem Patienten untergebracht war, der unter einer offenen, eiternden und mit einem Keim infizierten Wunde im Kniebereich litt, sein „offenes Knie“ dem Kläger und allen anderen Anwesenden bei den verschiedenen Verbandswechseln zeigte und darüber klagte, dass man den Keim „nicht in den Griff“ bekomme. Der gerichtliche Sachverständige hatte die gemeinsame Unterbringung eines Patienten mit einer offenen infizierten Wunde neben einem Patienten, der einen unauffälligen postoperativen Heilverlauf aufweist als dann nicht zu beanstanden bezeichnet, wenn verschiedene Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des Robert-Koch-Institutes eingehalten werden. Der Sachverständige konnte jedoch im Rahmen seiner Begutachtung keine Kenntnis darüber erlangen, inwiefern z. B. Vorschriften zur hygienischen Händedesinfektion und zum Verbandswechsel unter keimarmen Bedingungen eingehalten worden seien. Die für den Kläger günstigen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen habe sich der Kläger nach den Ausführungen des Senates konkludent zu Eigen gemacht. Die Beklagtenseite treffe dabei die sekundäre Darlegungslast hinsichtlich derjenigen Maßnahmen, die sie ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die vom Sachverständigen als Voraussetzung für ein behandlungsfehlerfreies Vorgehen aufgeführten Hygienebestimmungen eingehalten wurden. Welche Maßnahmen die Beklagte getroffen hat, um eine sachgerechte Organisation und Koordination der Behandlungsabläufe und die Einhaltung der Hygienebestimmungen sicherzustellen (interne Qualitätssicherungsmaßnahmen, Hygieneplan, Arbeitsanweisungen), entziehe sich der Kenntnis des Patienten, so dass er sich auf den Vortrag beschränken dürfe, der die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens des Arztes aufgrund der Folgen für den Patienten gestatte. Dem müsse das Berufungsgericht nun nachgehen. Dabei komme allerdings dem Kläger eine Beweislastumkehr nach den Grundsätzen über das vollbeherrschbare Risiko nicht zu Gute, da dieser Bereich auch bei Keimübertragungen nur dann eröffnet sei, wenn objektiv eine Gefahr bestehe, deren Quelle jeweils festgestellt und diese mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne. Bei ungeklärten Infektionsquellen komme eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast nach den Grundsätzen über das voll beherrschbare Risiko dagegen nicht in Betracht.
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